Crossing Lines: Fakten vs. Fiktion beim IStGH-Krimidrama
Die NBC-Krimiserie Crossing Lines fesselte das Publikum mit der Idee einer internationalen Polizeieinheit, die für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) arbeitet. Angeführt vom erfahrenen Schauspieler William Fichtner, glänzte die Serie mit hohen Produktionswerten und einer vielseitigen Besetzung, die verschiedene europäische Nationen repräsentierte. Das Konzept von Detectives aus verschiedenen Ländern, die zusammenarbeiten, um komplexe Fälle zu lösen, erwies sich als besonders attraktiv.
Die Darstellung des IStGH in der Serie zog jedoch erhebliche Kritik wegen Ungenauigkeiten und Falschdarstellungen auf sich. Das Hauptproblem liegt im Mandat des fiktiven IStGH-Teams, Verbrechen wie Serienmorde, Drogenschmuggel und Menschenhandel zu untersuchen – Delikte, die außerhalb der tatsächlichen Zuständigkeit des IStGH liegen. Der IStGH konzentriert sich in erster Linie auf Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und das Verbrechen der Aggression.
Die Pilotfolge versucht, diese Diskrepanz in der Zuständigkeit mit einer schwachen Erklärung zu „aktuellen Verbrechen“ und „illegalem globalen Handel“ zu beheben. Später argumentiert eine Figur, dass ein Serienmörderfall „ein fortdauerndes, systematisches und grenzüberschreitendes Verbrechen der Aggression“ darstellt. Diese Interpretation weicht drastisch von der vom IStGH anerkannten rechtlichen Definition von Aggression ab.
Die Serie verkompliziert die Angelegenheit weiter durch eine Nebenhandlung, in der sich der IStGH zunächst gegen die Bildung des Teams wehrt, da er befürchtet, die nationale Souveränität zu verletzen. Diese im realen Kontext des Völkerrechts berechtigte Sorge wird durch einen konstruierten Appell an Emotionen und einen vage definierten Befehl eines IStGH-Richters schnell überwunden. Die gesamte Sequenz verdeutlicht das mangelnde Verständnis der Serie für den rechtlichen Rahmen und die operativen Verfahren des IStGH.
Die Ungenauigkeiten gehen über die zentrale Prämisse hinaus. Kleinere Details, wie ein falsches IStGH-Logo, ein falscher Drehort (Holland statt Niederlande) und technologisch fortschrittliche Ausrüstung, die das Budget des IStGH übersteigt, tragen zu einem Gesamteindruck von Nachlässigkeit bei der Darstellung des Gerichtshofs bei. Selbst das scheinbar unbedeutende Detail eines englischsprachigen Parkschilds am vermeintlich internationalen Gerichtshof untergräbt die Glaubwürdigkeit der Serie.
Obwohl bei fiktionalisierten Darstellungen dramaturgische Freiheit zu erwarten ist, nimmt sich Crossing Lines Freiheiten, die dem Image und dem öffentlichen Verständnis des IStGH potenziell schaden. Die Darstellung der Serie könnte bei Zuschauern, die mit dem Völkerstrafrecht nicht vertraut sind, Missverständnisse über die Rolle, die Befugnisse und die Zuständigkeit des Gerichtshofs verstärken. Diese Fehlinformationen sind besonders in den Vereinigten Staaten besorgniserregend, wo Skepsis gegenüber dem IStGH bereits weit verbreitet ist. Crossing Lines riskiert, diese Skepsis zu verschärfen, indem es ein verzerrtes Bild von der Funktion und den Fähigkeiten des Gerichtshofs präsentiert.
Ein plausiblerer Schauplatz für die Prämisse der Serie wäre Interpol gewesen, eine internationale Organisation, die die polizeiliche Zusammenarbeit über Grenzen hinweg erleichtert. Interpols bestehende Beteiligung an der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität deckt sich stärker mit den in Crossing Lines dargestellten Ermittlungen. Die Wahl von Interpol hätte die Notwendigkeit umständlicher Rechtfertigungen und Ungenauigkeiten in Bezug auf die Zuständigkeit des IStGH vermieden.
Trotz anfänglichen Interesses konnte Crossing Lines letztendlich keine konstant hohen Einschaltquoten erzielen und wurde nach drei Staffeln abgesetzt. Die Falschdarstellung des IStGH bleibt jedoch ein wichtiger Streitpunkt für diejenigen, die sich um eine genaue Darstellung internationaler Institutionen in den populären Medien sorgen.